„Bei einem Besuch in der Galerie Josephsi-Neukum 2017 traf ich Horst Sauerbruch ( ehem. Professor für Kunsterziehung der Akademie der bildenden Künste München). Ich kannte ihn vom Studium, war aber nicht in seiner Klasse, trotzdem konnte er mich sofort dem Atelierprojekt zuordnen und begann unsere Arbeit in höchsten Tönen zu loben. Er verfolge über die – inzwischen leider eingestellten Programmhefte – unser Lehrangebot und sei erstaunt, wie wir über einen so langen Zeitraum unsere Qualität halten könnten, und das neben unsere künstlerischen Tätigkeit. Er empfehle uns immer wieder. Das war eine echte Anerkennung und Ermutigung von jemandem, der sich mit Lehre auskennt.
Als ich Horst Sauerbruch ein halbes Jahr später bat, für uns eine Jubiläumsrede zu halten, hat er sofort eingewilligt.
Im letzten Oktober ist Horst Sauerbruch gestorben. Die Menge von ehemaligen Schülern aller möglichen Altersklassen, die bei der Beerdigung anwesend war, hat bestätigt, wie sehr ihm viele bis zuletzt verbunden waren, noch Jahrzehnte nach der Akademiezeit. Er hat vielen etwas eröffnet und möglich gemacht, was sie ihr Leben lang begleitet hat, so war es aus verschiedenen Grabreden zu verstehen. Und er hat die Lehrtätigkeit absolut ernst genommen, in diesem Sinne wollen auch wir, die KünsterInnen des Atelierprojekts in unserem Unterricht eröffnen und möglich machen.“
Silke Blomeyer im Februar 2022
Rede von Prof. Horst Sauerbruch zum 25-jährigen Bestehen des Atelierprojekts
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit größter Freude versuche ich, Ihnen ein Grußwort oder eine Würdigung dessen, was wir hier gerade begehen, 25 Jahre Atelierprojekt, mitzugeben.
Habe ich doch an der Akademie 33 Jahre erlebt und darüber nachgedacht, dieses zu tun und Kunst zu lehren.
Nein, nicht „nur” Kunst zu lehren, und das ist der große Unterschied zu anderen kunstlehrenden Kolleginnen und Kollegen, sondern meine Lehre war, Menschen zu prägen, die dann wiederum fähig sind, Lust dazu zu haben, nicht nur Kunst selbst zu finden, sondern Anderen zu vermitteln, es ihnen beizubringen, wie Kunst entstehen kann.
Die Studierenden meiner Klasse aus der Münchner Akademie wußten immer, daß sie eines Tages in einer Schule , an einem Gymnasium sein werden, um Kunst zu unterrichten.
Das heißt dann Kunsterziehung, früher war es der Zeichenlehrer und die Zeichenlehrerin, eine so wunderbare Bezeichnung, denn sie sagt, um was es geht: die Lehre der Zeichen, Denken wird durch Sehen und Machen initiiert.
Ein schöner Beruf.
Der Untertitel auf der Broschüre, dem Programm dieses Hauses hier, ist der Schlüssel zu dem Geheimnis des Ganzen. Zuerst Atelierprojekt, da ahnt man was gemeint ist. Aber dann: „Künstler unterrichten“
Das ist das Entscheidende. Es geht nicht um ein Training von Fertigkeit. Das erwarten viele Bewerber hier sicher, wie sie es auch von der Akademie erwarten, im Sinn von: zuerst will ich beibekommen, besser beigebracht bekommen, wie Kunst geht und dann mache ich sie.
Das ist der falsche Weg, bzw. der Weg, der nicht zu dem wirklichen Erlebnis von Kunst führt. Es gibt kein Kochbuch.
Auf dem Heft zum 25. Jahrestag ist ein aufgeschlagenes weiches Ei zu sehen, lustvoll, bereit zum Genuß. Man sieht und spürt den Geschmack:
ich habe es freigelegt,
ich darf es essen.
und bin dann glücklich.
Ich war einmal in einer Malschule und bin von Staffelei zu Staffelei gegangen und habe mir die entstandenen Arbeiten angesehen. An jedem Arbeitsplatz lagen aktuelle Kunstkataloge, aufgeschlagen oder mit Einmerkern.
Und auf der Staffelei standen Bilder, die durchaus Ähnlichkeit mit den Werken in diesen Katalogen hatten, wenn sie nicht teilweise geradezu kopiert wurden.
Dieses Atelierprojekt hier heißt nicht Kunstproduktion und ist kein Fertigungsbetrieb gerade gültiger, in der Galerie- und Versteigerungsszene gängiger Produkte, ist vor 25 Jahren aus dem eben an der Akademie eingerichteten Aufbaustudium Kunsttherapie, einer Idee von Thomas Zacharias unter der Leitung seiner damaligen Assistentin Traudel Schottenloher, entstanden. Das macht deutlich, was gemeint sein muß. Eine Therapie die aus dem Machen entsteht. Ein eigenes Ding gemacht zu haben, keine noch so perfekte Kopie, sondern eine Pflanze, die auf dem eigenen Mist gewachsen ist, das macht glücklich.
Und dazu brauche ich den erfahrenen Künstler, die Künstlerin, die diese Prozesse begleiten, raten, unterstützen, Verworfenes bedenken oder Möglichkeiten anbieten.
Das alles ist ein so wunderbar weites Feld. Ich glaube, in Euren 25 Jahren habt Ihr genauso wenig gleiche Ergebnisse erlebt, wie ich es in meinen 33 Jahren erlebt habe.
Es muß für jeden Menschen ein neuer Weg sein, und zuerst muß er fühlen, sich danach sehnen, diesen Weg überhaupt gehen zu wollen.
Wenn ich keine Eier mag, sie nicht kenne, reizt mich das aufgeschlagene, quasi freigelegte Frühstücksei auch nicht.
Für jeden Lehrenden in so einer Gruppe muss es ein Erlebnis sein, immer Risiken eingehen zu wollen und der Machende muß bereit sein, sich auf Risiken einzulassen, aus dem eigenen Scheitern nicht unbedingt nur zu lernen, sondern zu erkennen, wie ein Bild werden könnte, eine Zeichnung, eine Malerei, Fotografie, Comic, eine Plastik, ein textiles Werk und was ich noch so gesehen habe in der Zusammenfassung Eures Prospektes zu diesem 25-Jahre-Fest.
Einige der Künstlerinnen und Künstler sind nahezu von Anfang an dabei. Auch das spricht für den tiefen Ernst dieser Absicht. Ich gebe als Lehrender keinen Kurs und zeige, wie es geht. Sondern ich bin dabei, bleibe dabei, ich ziehe mit, mein Karren läuft und Deinen schleppe ich ab oder mit.
Trau Dich, Du wirst Dich wundern, wie gut das Ei schmeckt.
Ich danke Ihnen
H.S.
Prof. Horst Sauerbruch | geboren am 31. Mai 1941 und gestorben am 16. Oktober 2021 – Wir sind ihm sehr verbunden. Danke für alle Gespräche und die Unterstützung in soviel Jahren. Das Atelierprojekt | Künstler und Künstlerinnen unterrichten
https://www.horstsauerbruch.de