Stefan Zeiler – Gedanken zum Künstler Friedrich Plahl (1926 – 2019)

Mit der ersten posthumen Retrospektive Friedrich Plahls (1926 – 2019) nimmt sich das Stadtmuseum Bruneck einer künstlerischen Position an, die im Kunstgeschehen heute selten geworden ist und im Werk dieses Künstlers eine Ausprägung erfahren hat, die sich unverkennbar abhebt von verwandten Positionen. Sein Fokus ist die gegenstandsbezogene Abstraktion. 

Friedrich Plahl fühlte sich schon früh zur Landschaft hingezogen. Während eines Studienaufenthaltes in San Francisco hat ihn die Pazifikküste angeregt zu Bildern, denen die Begeisterung des Malers angesichts der Wildheit der Landschaft abzulesen ist. Auch später hat er immer wieder Felsenküsten aufgesucht, in Spanien, Italien, auf Kreta, zuletzt auf Elba. In der zweiten Lebenshälfte machte er den Akt zum Hauptthema seiner Kunst. Das Stillleben kam zum Zug, wenn der Garten in der Steiermark Blumen, Früchte und Gemüse zur Verfügung stellte, und im Winter, wenn ein dunkles und diffuses Licht herrschte und die Landschaft rund um Wien keine Anhaltspunkte bot. 

Stillleben, Akt, Landschaft, die tradierten Gattungsformen, boten Plahl die Möglichkeit, im Kontakt mit einfachen und naheliegenden Motiven eine abstrahierende Bildsprache zu entwickeln, die nicht auf Details eingeht, sondern Raumbezüge klärt. In der Wahl hergebrachter, unspektakulärer Themen wird auch eine Weltsicht deutlich, die im Einfachen das Schöne, im Lebendigen das Wahre, das Unwandelbare sieht. Rationales Denken ging bei Plahl einher mit einer demütigen Haltung gegenüber der Natur, eine Haltung, die das Affektive meidet und das Subjektive ablehnt. Traditionsverbote fanden bei ihm keinen Widerhall, neodadaistischen Tendenzen ging er aus dem Weg. 

Nach einer frühen Phase abstrakter Bildgestaltung, die er für sich selbst nicht als wahre Kunst betrachtet hat, zeichnet sich das Kunstbestreben Friedrich Plahls dadurch aus, dass er seine Bildvorwände in der Wirklichkeit verankert. Nur was er vor Augen hat, kann er in ein Bild verwandeln. Ein Vis-à-vis ist für Plahls Schaffen unabdingbar. Seine Malerei ist auf das Sichtbare angewiesen, doch sie übersetzt das Gesehene in eine Bildwelt, deren hoher Grad an Erfindungskraft staunen macht. Seine Erfindungsgabe, die kein Phantasieren ist, sondern sich auf Faktisches und Dingliches berufen muss, stellt der Künstler kompromisslos in den Dienst seiner Kunstmethode: kontrapunktische Bezüge innerhalb des Bildes so zu setzen, dass die Evidenzen dieser Setzungen ins Auge fallen und ein kohärentes Ganzes, ein Kontinuum daraus erwächst – mit Brachflächen, Brüchen, Überscheidungen und Raumsprüngen, die in ihren Spannungsbögen immer auch dramatisch wirken. 

Manche Landschaftsbilder muten wie abstrakte Bühnen an (etwa die zum Gieringer Weiher nahe Kitzbühel), wo Raumelemente hin und hergeschoben werden, wo ein Waldrand, eine Wasserfläche und der Streifen eines Himmels einen Lichtwert zugeteilt bekommen, den die Bilddramaturgie erzwingt. Auch in den Stillleben – wie in den Figurenbildern – ist eine bühnenhafte Lichtführung oft bestimmend, die sowohl euphorische wie tragische Akzente setzt: Grell angestrahlte Quitten oder glühend rote Früchte, die nicht eindeutig benannt sind, suggerieren ein gedrängtes Beisammensein auf engstem Raum. (Einmal nannte Plahl seine Früchte auch „Gefangene“.) Sonnenblumenköpfe verwandelt er in schwarze Stempel oder gelbe Lichtscheiben, die dem Betrachter wie Scheinwerfer entgegen strahlen. 

Licht war für diesen Maler kein Effekt der Oberfläche, nein, es war sein Leitmotiv: Licht, das die Form verdeutlicht, aber auch als trennende Kraft sie zu spalten scheint. Im Chiaroscuro reflektiert Plahl einen Dualismus, der sein Denken prägt. Doch in der Verklammerung von Licht und Schatten, Schwarz und Weiß, wird ein Gleichgewicht der Kräfte, eine Harmonisierung der Gegensätze anvisiert. Ausdruck einer Zweiheit, die zugleich Entzweiung meint, ist der Doppelakt vielleicht die einprägsamste Erfindung Plahls. Wohl weil er den Menschen nicht als Einzelwesen sehen wollte, schafft er mit dem Kunstgriff einer zweiten liegenden Figur eine vertikale Spannung, ein Oben und ein Unten, wobei die Figuren selbst sich horizontal erstrecken. Aus den farbig tiefen Gründen wölben sich die Körperinseln wie aus einem Meer hervor. 

Auch das Werk von Friedrich Plahl mag wie eine Insel wirken, eine ferne, stille Welt, die mit zeitlosen Gesten in die Gegenwart hereinragt. Mit seinem genauen, aber hingebungsvollen Schauen hat uns Plahl die Wirklichkeit und das Sehen neu erschlossen. Sein Werk wird die Beachtung finden, die dem Subjektiven, Kalten heute allzu schnell zuteil wird. 

Stefan Zeiler, im November 2021 

Vom 12. Februar 2022 bis zum 12. März 2022 findet im Stadtmuseum in Brauneck die erste posthume retrospektive des Malers Friedrich Plahl statt.

Ausstellungsflyer :

Stefan Zeiler hat in einem Film den Maler Friedrich Plahl portraitiert. Zur Ausstellungseröffnung hatte der Film Weltpremiere und ist hier zu sehen:

https://filmfreeway.com/FriedrichPlahl


Die Fotos in diesem Blogbeitrag sind film stills von Stefan Zeiler.